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Fight or Flight

Im Informationszeitalter neigen wir dazu, unsere Körperlichkeit zu unterschätzen. In der Auseinandersetzung mit der Gewalt wird der physiologische Anteil oft vernachlässigt. Aus der Tierwelt kennen wir die körperliche Antwort auf Angst- und Stresssituationen. Im „fight or flight“ - Reflex wird der Körper auf eine heftige Reaktion vorbereitet. Um kämpfen oder flüchten zu können wird Adrenalin ausgestoßen, die Muskeln stark durchblutet, die Sicht verbessert und „unwichtige“ Körperfunktionen wie Hirnaktivität, Verdauung u.s.w. zugunsten der für den Kampf oder die Flucht relevanten Funktionen reduziert. Der menschliche Körper reagiert bei Stress auf die gleiche Weise. Diese Phänomene sind uns allen bekannt. Sie bewirken zum Beispiel, dass uns in Prüfungssituationen auf einmal nichts mehr einfällt oder man in Stresssituationen Dinge sagt oder tut, die einem hinterher leid tun. Dauernder Stress kann auch Krankheiten, wie Magengeschwüre, Bluthochdruck, Herzerkrankungen oder die Schwächung des Immunsystems, verursachen.

In der menschlichen Gesellschaft

Der Unterschied zur Tierwelt ist nur, dass Kampf oder Flucht bei uns Menschen in den wenigsten Fällen gangbare Alternativen darstellen. Wir können also auf Angst und Stress in unserer „zivilisierten“ Welt nicht mehr so reagieren wie unser Körper es physiologisch vorgibt. Dies wird noch dadurch verschlimmert, dass unsere Welt immer abstrakter und körperfremder wird. Die harte körperliche Arbeit erledigen Maschinen, die wir meistens am Computer kontrollieren. Wir spielen nicht mehr draußen auf der Straße oder im Wald, sondern bevorzugen Videospiele und Fernsehen. Wir vergessen, dass wir einen Körper haben – nein –, dass wir Körper sind. Die Menschen reagieren unterschiedlich auf diese Situation: einige entwickeln Essstörungen, andere flüchten in innere Emigration oder werden aggressiv und gewalttätig. Eine Alternative wäre körperliche Arbeit oder Sport. Wir haben bestimmt alle schon die zufriedene Müdigkeit nach einem großen Spaziergang, einer Radtour oder einer anderen körperlichen Tätigkeit erfahren. Der durch Stress aufgestaute Bewegungsdrang konnte sich entfalten, unser „übersäuerter“ Körper wurde „entsäuert“, der angesammelte Stress abgebaut. Ein anderer Aspekt ist, dass jeder eine unterschiedliche Stress- / Angstschwelle hat. Manche fühlen sich schon bedroht, wenn man sie nur streng anschaut andere wenn man sie anschreit oder erst wenn man sie körperlich bedroht. Diese persönliche „Stressschwelle“ hängt zum einen von den eigenen Erfahrungen ab und zum anderen von dem, wie man sich selbst fühlt oder wahrnimmt, also von seinem Selbstbewusstsein oder Selbstwertgefühl. Unser Selbstbewusstsein bestimmt auch wie souverän wir mit Konfliktsituationen umgehen, ob wir stark genug sind um uns zu verteidigen wenn wir uns z.B. ungerecht behandelt fühlen oder ob wir gar nichts sagen und stattdessen weitere Wut- und Minderwertigkeitsgefühle aufbauen.


Selbstbewusstsein

Man kann versuchen, sich Selbstsicherheit durch Konsum zu erkaufen: Ich habe also bin ich! Diese Methode hat mehrere Nachteile: man muss das nötige Geld haben, man braucht immer mehr und die Angst vor dem Verlust all unserer Habseligkeiten wird immer größer. Es ist nicht falsch erfolgreich zu sein und Geld zu verdienen, es ist nur gefährlich, davon abhängig zu werden und sich nur dadurch zu definieren. Ob wir uns sprichwörtlich in unserer Haut wohlfühlen, hängt davon ab wie einig wir mit uns selbst sind, ob wir mit unseren Stärken und Schwächen umgehen können und ob wir uns in unserem Körper wohlfühlen. Unser Selbstbewusstsein fängt also mit unserem Körperbewusstsein an. Schon die Römer wussten: „Mens sana in korporis sano“.

Kampfkunst gegen Gewalt?

Auf den ersten Blick mag es widersprüchlich erscheinen, Kampfkünste als Mittel gegen Gewalt zu betrachten. Machen wir durch Kampfkunst die Menschen nicht noch aggressiver und bringen Ihnen bessere und gefährlichere Techniken bei? Meistens kennen wir Karate, Aikido, Taekwon-Do, Kung Fu, Ju-Jitsu usw. nur aus Actionfilmen und denken dabei an kämpferische Überlegenheit und die zerstörerische Kraft. Wir kennen aber nicht den Ursprung der Kampfkünste und die Kultur sowie die Denkweise, die dahinter steht.

Der Weg

Die wichtigste Tradition, die die meisten Kampfkünste auch schon in ihrem Namen tragen, ist die des „Do“ oder Weges. Es ist der Weg der Mitmenschlichkeit, „Mit-Geschöpflichkeit“, Meditation, Kunst zu kämpfen usw. Hierin sind die Kampfkünste eng mit dem Zen-Buddhismus verbunden, sie sind eine Form der bewegten Meditation. Im Kampfsport kämpft man hauptsächlich gegen sich selbst. Das Ziel ist nicht, besser zu sein als andere, sondern selbst immer besser zu werden und über sich hinauszuwachsen. Werde, was du sein kannst! Was ein Mensch sein kann, muss er gemäß seiner spezifischen Geschichte, Anlagen und Talente werden. Darin realisiert er sich selbst und kann so zum Frieden mit sich selbst und zur Erfahrung von Ganzheit gelangen.


Rollenspiele

Kampfkunst kann ein Weg sein, auf dem dies erreicht werden kann – insbesondere für Kinder und Jugendliche, die in der Bewegung, Geschicklichkeit und Akrobatik ihre Stärken entwickeln bzw. finden können. Dies umso mehr, als die Übungsformen auch traditionelles Wissen über die ganzheitliche fernöstliche Medizin, Bewegung und Gesundheit, Aktivierung der körpereigenen Energiezentren usw. beinhalten. Zudem ist bei vielen Jugendlichen das Kämpfenkönnen, aber auch das Bedürfnis, sich verteidigen zu können eine zusätzliche Motivation für die Ausübung einer Kampfkunst. Obwohl alle Kampfkünste ausschließlich auf die Selbstverteidigung ausgerichtet sind, wird beim Training ständig zwischen Angreifer- und Verteidigerrolle gewechselt; der Schüler lernt somit beide Seiten kennen. Dies erfordert Disziplin, Respekt vor dem Partner und Vertrauen in ihn und sich selbst. In diesem „Rollenspiel“ hilft der „Angreifer“ dem „Verteidiger“ sich richtig zu verteidigen. „Gut“ und „Böse“ verschmelzen zu einer harmonischen Bewegung.

Wachsen

Kampfkunst erfordert zunehmende Geschicklichkeit und persönliches Wachstum; mit jeder Gürtelstufe sind neues Können und persönliche Weiterentwicklung gefordert. Um die nächste Stufe zu erreichen, ist es nötig, immer wieder eigene Grenzen zu überschreiten und neue Herausforderungen zu meistern. Damit wird Schritt für Schritt gelernt, sich selbst zu vertrauen, Mut zu haben, sich zu trauen. Wer Selbstvertrauen hat, kann auch Konflikte anders lösen als durch den Einsatz von Gewalt.